Zum 40-jährigen Dienstjubiläum überreichte Einrichtungsleiter Michael Tietze (rechts im Bild) seinen Dank und seine Glückwünsche persönlich zusammen mit einem Blumenstrauß.  

Ute Rieger arbeitet seit 40 Jahren im Albert-Schweitzer-Kinderdorf und hat ihren Mann seither ehrenamtlich an ihrer Seite

[Uslar]- Im Jahr 1984 setzten Ute und Matthias Rieger die Segel für ein besonderes Familienleben in der Struktur einer Kinderdorffamilie. Bis heute haben sie gemeinsam insgesamt 31 Kinder bei sich aufgenommen und liebevoll betreut, die meisten von ihnen begleiteten sie bis in die Selbstständigkeit als Erwachsene.

Jetzt im Juni feiert Ute Rieger ihr 40-jähriges Dienstjubiläum und ihr Mann Matthias feiert als Ehrenamtlicher gleich mit.

Die ersten Schritte
Nach ihrer Ausbildung zur Erzieherin arbeitete die sympathische Ute Rieger in einem privaten Kinderheim und stellte schnell fest, dass die dort vorherrschenden Strukturen und Umgangsweisen nicht mit ihrem Verständnis von Kindererziehung einhergingen. Aus ihrer eigenen Vergangenheit als Tochter einer der ersten Kinderdorfmütter im Albert-Schweitzer-Kinderdorf in Uslar, kannte sie das Konzept der Kinderdorffamilie bereits sehr gut und erstmalig kam der Gedanke auf, selbst eine Kinderdorffamilie zu gründen. Doch auch die Möglichkeit zu einer beruflichen Veränderung in Berlin reizte sie sehr. Zusammen mit ihrem Partner Matthias schmiedete sie erste Pläne für die Großstadt. Doch ein wohl eher intuitiv getätigter Anruf beim damaligen Kinderdorfleiter Heiner Theiß warf die Pläne des Paares in die weite Welt zu ziehen über Bord: Das Kinderdorf Uslar brauchte dringend Unterstützung in einer Kinderdorffamilie, in der kurzfristig Personalmangel herrschte. Beherzt und ohne nennenswerte Zeitversäumnis sprang Ute Rieger ein und bald schon ging es darum, ob sie sich vor-stellen könnte, eine eigene Kinderdorffamilie zu gründen und Jugendhilfekinder bei sich aufzunehmen. Sie suchte das Gespräch mit ihrem Mann und stellte überrascht fest, dass es sich mit einem schlichten Wort erübrigt hatte: „Danke!“ In der Tat wartete Matthias Rieger bereits auf den Moment, indem diese Entscheidung kommen würde. Er freute sich schon auf ein Haus voller Leben und darauf, seine Frau vom ersten Tag an ehrenamtlich mit den Aufgaben in der familienhaften Struktur unterstützen zu können. Das Paar heiratete und zog in ein Haus, das groß genug war. Lustigerweise befand sich dies unmittelbar gegenüber der heutigen Familienwerksgeschäftsstelle. Doch damals wurde die Vereinsverwaltung noch vom Kinderdorfgelände aus geführt. Schon bald zogen die ersten beiden Kinderdorfkinder ein und die Kinderdorffamilie Rieger vergrößerte sich mehr und mehr. Auch zwei leibliche Kinder gehörten bald zum großen Ganzen.

Ein gutes Miteinander ist alles
Im Jahr 1987 kauften Ute und Matthias Rieger ein großes Fachwerkhaus samt Nebengebäude auf dem Land – genauer gesagt in dem Dorf Kammerborn. Bis heute leben sie mit den beiden letzten Jugendhilfekindern aus ihrer 40 Jahre währenden Kinderdorfgeschichte dort. Matthias Rieger engagierte sich schnell neben seinem eigentlichen Hauptberuf als Maschinenschlosser und der immerwährenden ehrenamtlichen Tätigkeit in der Kinderdorffamilie auch im Dorf. „Man hat immer mit Vorurteilen zu kämpfen“ resümiert er, doch fügt auch an „Wenn man engagiert ist und offen auf die Leute zugeht, schafft man auch Akzeptanz, ein gutes Miteinander und kann sich und alle gut in die Gemeinschaft integrieren.“ Er erinnert sich an viele tolle Momente, die sie alle zusammen erlebt haben. Sei es im Zuge des Dorflebens, in ihren eigenen „heimischen Hallen“ oder bei einem der vielen Urlaube, die die Riegers den Kindern und Ju-gendlichen immer versucht haben zu ermöglichen. So ging es mal ins Jugendcamp, hin und wieder sogar ins Ausland, doch ganz regelmäßig zum Campen. Für Matthias Rieger war es immer selbstverständlich, sich nach Feierabend und am Wochenende mit zu kümmern. Ob bei gemeinsamer sportlicher Betätigung oder wenn er die Kinder und Jugendlichen in verschiedene Reparatur- und Handwerksarbeiten einband, um ihnen praktische Fertigkeiten zu vermitteln. Auf die Fra-ge, ob das nicht manchmal ein bisschen viel war, lacht er und meint: „Natürlich. Aber dafür muss man lernen sich in den richtigen Momenten zurückzuziehen und um sich selbst zu kümmern.“ Das ist vielleicht nicht das ganze Geheimnis der Riegers, aber es half schon bei dem erfolgreichen Gelingen von 40 Jahren liebevoller Kinderdorffamilienarbeit. Auch Ute Rieger achtete darauf, sich in kleinen Auszeiten wieder ihre Energien zurückzuholen. Früher hat sie dann besonders gern und viel gelesen. Die Entscheidung dieses Berufsleben zu leben, bereuen beide nicht. Aber Ute Rieger betont auch: „Neben vielen schönen Momenten, gab es auch immer wieder Rückschläge und besonders harte Zeiten.“ Vor allem die im Laufe der Jahrzehnte vorangeschrittene Bürokratisierung ist etwas, das sie am Job nicht schätzt: „Ich hätte die Zeit lieber effektiv für die Kinder und Jugendlichen, um sie geht es schließlich und sie brauchen die Unterstützung.“ Im Endeffekt bedeutete es oft viel Büroarbeit in den späten Abendstunden erledigen zu müssen, wenn alle schliefen und man selbst schon kaputt ist.“
Ute und Matthias Rieger schließen ihre Kinderdorffamilie definitiv mit einem lächelnden und einem weinenden Auge, sobald die letzten beiden Jugendhilfekinder verselbstständigt sind. Doch das Kinderdorf wird immer ein Teil von ihnen bleiben: „Es ist so schön, gerade zu Ostern oder auch an Weihnachten ist das Ganze Haus voll von unseren eigenen und den ehemaligen Kinderdorfkindern, die selbst zum Teil schon Kinder haben und zusammen unternehmen wir dann alle etwas Tolles.“