[Uslar] – Normalerweise stehen Kunstausstellungen unter einem klar umrissenen Thema, verfolgen ein Konzept und bieten dem ausstellenden Künstler auch die Gelegenheit, seine Werke zu veräußern. Was aber wenn man Ausstellung neu denkt? Was, wenn die ausgestellten Werke von Kindern stammen mit einem Zugang zur Kunst, wie ihn jeder von uns der das Fach nicht studierte hat und der nicht sein Leben lang bereits nach Vorgaben gezeichnet hat?
Welch wundervolle Werke entstehen können, wenn Kunst auch ohne Vorgaben, Fachwissen und Theorie Ausdruck des eigenen Inneren ist, wenn eine der wenigen Regeln „Ich kann das nicht gibt es nicht“ ist und Pinsel, Spachtel, Schwamm oder auch schonmal die eigenen Hände völlig vorgaben- und wertefrei über das noch leere Blatt Papier huschen, genau das wird die einzigartige Ausstellung „Kunterbunt und Knallvergnügt“ aus dem Albert-Schweitzer-Kinderdorf Uslar in den Räumlichkeiten der oberen Etage vom Bücherwurm Uslar in der Langen Straße 19 zeigen. Am Donnerstag, den 15. August um 17 Uhr geht es mit einer fröhlichen Vernissage samt Bilderträumen, Musikeinlagen und den jungen und stolzen Künstlerinnen und Künstlern los. Zwei Wochen lang kann man dann während der regulären Öffnungszeiten die verschiedensten Werke auf sich wirken lassen. Viel Kreatives, immer wieder neue Ansätze und ganz viel Farbspiele erwarten die Besucher der Ausstellung dann.
Ins Leben gerufen hat das Projekt hinter der Ausstellung Uschi Theiß. Vielen selbst als Künstlerin ein Begriff, hat sie ihr Leben nicht nur schon immer dem künstlerisch-freiheitlichen Ausdruck verschrieben, sondern auch dem sozialen Engagement insbesondere mit Kindern und Jugendlichen. Im Jugendwohnen des Albert-Schweitzer-Kinderdorfs hat sie die eine Hälfte ihres beruflichen Traumlebens verwirklicht und mit Kunstprojekten und Malangeboten nun auch die zweite. Die sympathische und offene Wienserin hat ein Konzept initiiert, welches es kleinen und großen Menschen ermöglicht, völlig frei von jeglichem Druck und jeglicher Wertung in einen kreativen Schaffensprozess mittels Ausdrucksweisen durch Farben zu kommen. Es geht nicht um Vorwissen, nicht um Erfahrung und auch nicht um Können. Ausgangspunkt ist das Selbst. Es geht darum, einen Zugang zum Innenleben zu bekommen und sich zu erlauben, das Denken hintenanzustellen und dafür mehr aus dem Fühlen heraus zu arbeiten. Die so entstehenden Werke sind einzigartig. Manchmal sehr abstrakt, manchmal greifbar, doch immer vor allem eines: Sehr persönlich.
Darum ist es umso wertvoller, dass die jungen Künstler und Künstlerinnen aus dem Kinderdorf Einblicke gewähren in ihre im Verlauf des letzten Jahres entstandenen Werke. Einmal in der Woche treffen sich die jungen Menschen aus Familien aus dem gesamten Kinderdorf in Kleingruppen und öffnen sich gemeinsam, und doch mit sich selbst beschäftigt, dem „Malspiel“. So heißt das Konzept von Uschi Theiß, die sich nicht als Anleitende oder gar Lehrende versteht, sondern dafür sorgt, dass die Rahmenbedingungen zum Ausleben des gesamten kreativen Prozesses stimmen. Einige wenige Grundregeln zum Miteinander und zum Umgang mit den Materialien gibt es, ansonsten ist jeder frei in seinem Tun. Uschi Theiß gibt Tipps und Anregungen, doch nur dann, wenn sie gefragt wird. Auch Hintergrundwissen vermittelt sie nur auf direkten Wunsch. Ansonsten sorgt sie für den Fluss der Farben und vieles weitere, das gerade benötigt wird.
Seit einem Jahr gibt es das Projekt und neben Kindern und Jugendlichen aus dem Kinderdorf, kommen auch Erwachsene aus dem Bereich der Reha-Gruppen der Albert-Schweitzer-Wegbegleiter zu ihr. In den eigens für diesen Zweck geschaffenen Räumlichkeiten wird gleich deutlich: Hier geht es um das Wohlfühlen, ums Ankommen. Alles ist sehr gemütlich und trotzdem gibt es nichts, dass vom Schaffensprozess zu sehr ablenken würde. Uschi Theiß lebt dieses Konzept und das spüren auch ihre jungen und erwachsenen Teilnehmenden. Michaela (13 Jahre) ist von Anfang an dabei und total begeistert, wie ein „alter Hase“ bewegt sie sich durch das geräumige Atelier, verteilt hier einen Klecks Farbe auf ihrem Bild – die Silhouette einer Freundin in das Gewand einer Meerjungfrau getaucht – und zeichnet dort auf kreative Weise eine Kontur nach. Sie ist im Schaffensprozess, man merkt ihr an, dass die Ideen sprudeln und ruckzuck wurde aus dem lächelnden Gesicht ein Hinterkopf. Eine Meerjungfrau mit halblangen dunklen Haaren und um sie herum fangen die Farben an zu explodieren, vermischen sich, fügen sich. Michaela malt tatsächlich schon seit sie 3 Jahre alt war, aber beim Malspiel hat auch sie das Malen noch einmal auf neue Weise für sich und ihre Entwicklung entdeckt.
Besonders der geschützte Raum und sich völlig frei kreativ ausleben zu können, ist für alle eine wertvolle Erfahrung. Normalerweise bleiben die Bilder im Atelier. Es gibt extra einen Lagerplatz. Auch nach dem Schaffensprozess soll die eigene Kunst keinerlei Wertung ausgesetzt sein. Auch deshalb ist die Ausstellung etwas sehr Besonderes: Alle Bilder werden zum allerersten Mal außerhalb des Projekts betrachtet. Die Idee der Ausstellung bietet daher auch die Möglichkeit, die eigenen Werke auf Wunsch nach einem Jahr mit nachhause zu nehmen. Selbstverständlich hat Uschi Theiß diese Idee zunächst in die Gruppen gebracht und die Malerinnen und Maler frei entscheiden lassen. Doch die Idee fand anklang und so durfte sich jeder der es wollte ein Bild aus seiner Sammlung zur Veröffentlichung im Rahmen der Ausstellung aussuchen. Vom 15. Bis 30. August bietet sich im Bücherwurm Uslar die einmalige Gelegenheit, auf eine fantastische Malreise zu gehen, auf die die jungen Künstler und Künstlerinnen aus dem Albert-Schweitzer-Kinderdorf alle herzlich einladen.